Gesundheit und Mobilfunk vom 2.9.2005
 

Tagung ETH Zürich vom 2.9.05
GESUNDHEIT + MOBILFUNK

Zusammenfassung

Die Verunsicherung weiter Bevölkerungskreise wegen elektromagnetischer Felder ist gross. An einer internationalen Tagung der Schweizerischen Interessengemeinschaft Baubiologie/Bau- ökologie, SIB, am ETH Zentrum Zürich zum Thema Gesundheit + Mobilfunk berichteten Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz über aktuelle Erkenntnisse zu den Einwirkungen der Mobilfunkstrahlung auf die Menschen. Rund die Hälfte der 250 Tagungsteilnehmer waren Behördevertreter aus Gemeinden und Ämtern.


Die Veranstalter lehnen die Mobilfunk-Technologie nicht grundsätzlich ab. Aber sie verlangen viel tiefere Sendeleistungen, bis die Unbedenklichkeit bzw. die Schädlichkeit künstlicher elektromagnetischer Felder auf Menschen wissenschaftlich abgeklärt ist. Es gehe um sinnvolle Immissionsminimierung; die Sendeleistungen der Mobilfunkantennen müssten und könnten um den Faktor 100 reduziert werden. Über 70 Prozent aller Gespräche würden nämlich aus Häusern heraus geführt. Dort seien jedoch Festleitungen vorhanden. Zur Durchdringung von Mauern und Innenwänden seien hohe Sendeleistungen der Mobilfunkantennen nötig. Wer „indoor“ trotzdem mit dem Handy telefonieren wolle, könne dafür einen Repeater installieren.

Nationalrätin Pia Hollenstein, Mitglied der Kommission Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates, verlangte in ihrer Einleitung, die unabhängige Forschung müsse dringend vorangetrieben werden, da noch immer Unklarheit über möglichen Langzeitfolgen für die Gesundheit von Mensch und Umwelt bestünde. Zur Finanzierung schlug sie eine Art „Handy-Steuer“ von einem oder mehreren Rappen pro Gesprächsminute vor, ähnlich wie bei der Tabaksteuer. Die Nationalrätin forderte wiederholt tiefere Belastungswerte. Die Strahlungsgrenzwerte der Schweiz dürfen nicht sakrosankt sein, sondern müssten neuen Erkenntnissen angepasst werden.

Guido Huwiler, Copräsident SIB und eid. dipl. Baubiologe, erachtet die Mobiltelefonie als „ein riesigen Feldversuch“. Die Menschen würden unkontrolliert künstlich geschaffenen elektromagnetischen Feldern ausgesetzt, deren Folgen nicht absehbar seien. Forschung sei dringend nötig. Der Bund müsse endlich handeln. Huwiler kritisierte auch die Desinformation der Mobilfunkindustrie. Handlungsbedarf bestünde bei den schnurlosen, gepulsten DECT-Telefonen, wie die Praxis zeige. Sie seien eine weitgehend nicht erkannte Quelle elektromagnetischer Felder in den Haushalten. Es gebe Alternativen mit analogen, schnurlosen Apparaten.

Der Arzt Gerd Oberfeld, Salzburg A, stellte die weltweit ersten 4 epidemiologischen Arbeiten aus Frankreich, Spanien und Österreich zu den Auswirkungen der Mobilfunkexposition auf Menschen vor. Sie zeigen übereinstimmend signifikante Zusammenhänge zwischen körperlichen Beschwerden und der Intensität hochfrequenter Strahlung von Mobilfunkanlagen auf. Oberfelds Folgerungen: GSM-Sendeanlagen sollen im Freien nicht mehr als 10 Mikrowatt/ m2 und in Innenräumen 1 Mikrowatt/ m2, haben. Kinder und Jugendliche, so fordert Oberfeld, sollten Schnurlostelefone und Handys „nur in Notfällen“ verwenden. Der Arzt forderte viel mehr epidemiologische Felduntersuchungen, welche die Folgen des Mobilfunks auf breiter Basis aufzeigen könnten.

Der Baubiologe Martin H. Virnich, Mönchengladbach D, kritisiert, die gesundheitlichen Auswirkungen des Mobilfunks würden als unbedenklich erachtet, solange die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten würden. Für die Befürworter des Mobilfunks seien die Fragen des Vorsorgeprinzips und der Minimierung der Immissionen daher kein Thema. Viele Ärzte kennten seit Jahren vielfältige Patientenschäden, die durch Mikrowellen entstünden, die weit unter den gültigen Grenzwerten lägen. Ständig kämen neue Funktechnologien wie WLAN (lokale Hotspots oder „inhouse“-Anlagen) oder WiMAX (Reichweite bis 50 km) auf den Markt. Der Kenntnisstand der Bevölkerung über Hochfrequenzimmissionen mit Dauersendern wie DECT oder WLAN sei immer noch gering.

Der Physiker Volker Schorpp, Bietigheim D, berichtete von seiner eindrücklichen Leidensgeschichte, die begann, als in der Nähe seines Hauses drei Mobilfunksendeanlagen in Betrieb genommen wurden, ohne dass er davon Kenntnis hatte. Die Folgen seien „dramatisch“ gewesen; sein ganzes Leben habe sich verändert. Die Hochfrequenz (HF)-Signale verursachten bei ihm alle möglichen körperlichen und psychischen Gebrechen, die ihn fast arbeitsunfähig machten. „Die HF-Strahlung verändert die Menschen.“ Als er 2002 in einem fast strahlungsfreien Gebiet Urlaub machte, konnte er sich praktisch vollständig erholen. Schorpp fordert garantierte Hochfrequenz-Versorgungslücken im Gebirgstälern, wo sich Betroffene erholen könnten.

Laut dem Umweltwissenschafter Gregor Dürrenberger von der Forschungsstiftung Mobilkommunikation am ETH Zentrum Zürich hat die Forschung über biologische und gesundheitliche Wirkungen elektromagnetischer Felder gute Erkenntnisse gebracht. Sie hätten als „etabliertes Wissen“ Eingang in gesetzliche Bestimmungen und Empfehlungen zum Schutze des Menschen vor übermässiger Strahlung gefunden. Das etablierte Wissen beziehe sich vorab auf die thermische Wirkung der Strahlung. Die gesetzlichen Grenzwerte der NIS verhinderten heute, dass die Strahlung den Körper auf ein Mass erwärmen könne, das “gesundheitlich problematisch“ wäre. Dürrenberger räumte anderseits ein, es gebe zunehmend Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, verursacht durch schwache Strahlung, die zu keiner bedeutsamen Erwärmung führen könne. Er betonte, es gebe viele Einflussfaktoren, welche das Wohlbefinden beeinflussten. Er hofft, dass die Interphone-Studie der WHO im nächsten Jahr die Risikobeurteilung bezüglich Handystrahlung und Krebs zulasse. Er warnt davor, wissenschaftliche Unsicherheiten für Partikularinteressen zu instrumentalisieren. Das verneble die politische Diskussion.

Pressestimmen dazu:

Artikel Tages-Anzeiger vom 3.9.05
  

Bericht in der Aargauer Zeitung vom 8.9.2005