Osterholzer-Kreisblatt vom 25.04.2008

Keine klare Antwort zu Handys
Pro und Contra über die Strahlenbelastung / Podiumsdiskussion im Ratssaal

Von unserem Redakteur
Horst Frey

LANDKREIS. Sind die elektromagnetischen Strahlungen von Handy und Funkmasten gesundheitsschädlich? Eine klare Antwort auf diese Frage gab es nicht in der gut besuchten Podiumsdiskussion zweier Wissenschaftler, zu der die Bürgerinitiative Elektrosmog Osterholz (BEO) am Mittwochabend in den Ratssaal in Osterholz-Scharmbeck geladen hatte.

BEO-Vorsitzender Peter Mehring wandte sich zu Beginn insbesondere gegen die kabellose Funkverbindung für Computer (WLAN), wie sie in Schulen installiert werden sollen. Zwei gegensätzliche Positionen vertraten dann Professor Alexander Lerchl von der Jacobs University Bremen, Mitglied der Strahlenschutzkommission, der die Sorgen mit dem Hinweis zerstreuen wollte, dass die Grenzwerte bei weitem nicht erreicht würden, und der Umweltphysiker Dr. Lebrecht von Klitzing, der Grenzwerte und den Sinn von Messungen überhaupt in Zweifel zog. Man habe beispielsweise nur sechs Minuten an Masten gemessen, die Menschen, die dort wohnen, seien den Strahlungen aber dauerhaft ausgesetzt.

Lerchl legte zunächst dar, dass die Wissenschaftler niemals die Nichtexistenz eines Effektes beweisen können. Prinzipiell könne Schädlichkeit bewiesen werden, Unschädlichkeit aber nicht. Auch könne noch nicht bewertet werden, ob es Langzeiteffekte gebe. Er legte dar, dass über Häufungen von Leukämiefällen keine Aussagen gemacht werden können, sie ergäben sich aus der statistischen Streuung. Studien seien keine kausale Beweise. Es gebe keine Überschreitungen der Grenzwerte, lediglich die Babyphone seien gefährlich, falls das Baby auf ihnen liegt. Lerchl räumte dann auch mit der Vorstellung auf, dass weit entfernte Funkantennen weniger gefährlich seien: "Bei weiter entfernten Funkmasten muss man das Handy stärker aufdrehen, was zu einem erhöhten Risiko führen könnte." Er bezweifle nicht, dass es Menschen gebe, die unter Elektrosmog leiden und schließlich krank werden. Die Wissenschaftler hätten aber keinen Unterschied zwischen realer und scheinbarer Bestrahlung gefunden. Wer Angst vor Elektrosmog habe, werde auch krank, wenn überhaupt keine Strahlung erfolgt. Es gebe keinerlei Hinweise, dass elektromagnetische Strahlung auf Sinnesorgane einwirkt. Er halte gleichwohl die Betroffenen nicht für Simulanten, versicherte Lerchl auf Nachfrage von Moderator Manfred Baumann von der ARD-Börse.

Dr. Lebrecht von Klitzing bezweifelte den Wert der Messungen, dabei würden andere Einflüsse nicht berücksichtigt. Der Verbraucher stehe vor der Frage, welcher Studie er glauben könne. Von Klitzing verwies auf eine Liste von mindestens 20 wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu dem Thema Elektrosmog. "Ich rate Ihnen, sich daraus zu informieren, schließlich sind auch die Organisationen nur subjektiv." In der anschließenden Diskussion über Funkantennen meldete sich auch die Bürgermeisterin von Ritterhude, Susanne Geils, zu Wort. Ihrer Erfahrung nach könne eine Kommune nichts gegen die Aufstellung dieser Masten ausrichten, was Lerchl bezweifelte. Lerchl: "Das Problem sind nicht die Masten, die einzelnen Handys sind hundert- bis tausendfach belastender."

Osterholzer Anzeiger vom 27.04.2008

Wissenschaft weiter uneinig

Podiumsdiskussion der BEO fand große Resonanz

Von Sabine Kahrs

Osterholz-Scharmbeck. Große Resonanz verzeichnete die Bürgerinitiative Elektrosmog Osterholz (BEO) bei ihrer Podiumsdiskussion im Ratssaal des Rathauses. Dabei ging es um die Gefahren von Handys, W-Lan und schnurlose DECT-Telefone. In Zeiten zunehmender diffuser Leiden, wie Ärzte sie in ihre täglichen Praxis bei Patienten erfahren, in Zeiten von immer mehr Funkturmbauten, die Ängste entfachen, war der Zulauf zur Veranstaltung nachvollziehbar.

Kommunen und ihre Bürger stehen immer neuen Funkturmbauten an umstrittenen Standorten scheinbar machtlos gegenüber. Die Einrichtung von Laptop-Klassen mit schnurloser W-Lan-Technik wird kontrovers diskutiert. Ist die neue Technik, die so viel Spaß bereiten kann, Fluch oder Segen, fragte ARD-Moderator Manfred Baumann, der die Diskussion kritisch leitete.

Zugpferd der Veranstaltung war Dr. Lebrecht von Klitzing, ein unabhängiger Wissenschaftler. Auf Unabhängigkeit legten die Besucher der Veranstaltung besonderen Wert und hofften dadurch auf ehrliche Antworten. Ernst zu nehmende Zweifel gab es hingegen zu Podiumskontrahent Dr. Alexander Lerchl, Professor für Biologie an der International University Bremen (IUB) Er, als Beratungsausschussmitglied der Strahlenschutzkommission, und seine Universität gelten als Spendenempfänger der Mobilfunkindustrie.

In seinem Statement, das von Studien und Statistiken bestimmt wurde, führte Lerchl aus, dass Grenzwerte annähernd nicht erreicht würden. UMTS beispielsweise habe auf Mäuse über vier Generationen hinweg keine Hinweise auf Schädigungen gezeigt. Auf seine mögliche Spendenbefangenheit gab der Professor an, dass bis zum Schluss „blind" geforscht wurde. Niemand habe gewusst, welche Mäuse exponiert waren und welche nicht. Der Wissenschaftler bestätigte, dass er der Meinung sei, man könne die Forschungen zu Mobilfunk und Co. beenden. Es gebe inzwischen Forschungsnotwendigkeiten für neue Technologien, so müsse es

nicht sein, dass man für Mobilfunkforschungen weiterhin Millionen auf den Kopf haut." Eine Einflussnahme über den Geldstrom auf seine öffentliche Meinung bestritt er, konnte den Verdacht beim Publikum aber augenscheinlich nicht ausräumen. Eine Diskussionsbesucherin gönnte Lerchl und anderen Wissenschaftlern einmal neben einem Mast schlafen zu müssen. Lerchl hatte zuvor seine Meinung geäußert, dass „elektrosensible" Menschen wirklich krank seien. Er bezweifelte aber, dass dies von der Strahlung komme. Eher sei es die Angst vor Strahlen, die zu Beschwerden führe. W-Lan in Schulen hielt der Biologe für unbedenklich. „Gefährlicher ist es, im Klassenraum Kabel zu verlegen, über die Schüler stolpern könnten."

Dr. Lebrecht von Klitzing hatte einen weitaus besseren Stand auf dem Podium. Er führte aus, was eine Oma dem Enkel antue, schenke sie ihm ein Handy zu Weihnachten. Von Klitzing riet dringend ab. Auch er führte wissenschaftliche Untersuchungen ins Feld. W-Lan hielt der Experte für besorgniserregend. Es gebe sichere Kabellösungen. Er riet von der kabellosen Technik in Schulen dringend ab und erhielt Beifall.

Elektrosensibilität sei ein multikausales Problem, meinte Dr. von Klitzing, dem eine Vorgeschichte, etwa eine Allergie, zu Grunde liege. Die Strahlendosis komme noch oben drauf.

Auf die Machtlosigkeit, Mobilfunkmasten an bestimmten Standorten zu verhindern, wies unter anderem Ritterhudes Bürgermeisterin Susanne Geils hin. Gehört die Mobilfunkversorgung zur Grundversorgung auf die Bürger ein Anrecht haben, sind die Masten wirklich privilegierte Bauvorhaben? Geils führte aus, was alles unternommen wurde, um Einfluss zu nehmen und die Belastung für die Bevölkerung zu minimieren. Letztendlich finde sich für Geld immer ein Grundstück von Privat- oder Geschäftsleuten, auf dem sich Betreiberwünsche erfüllten.

Dr. Lebrecht von Klitzing erläuterte, dass es sich bei Mobilfunktechnik nicht um privilegierte Vorhaben handele und dass es kein Grundversorgungsrecht gebe. Letztendlich könne jeder nur seine eigene Wohnung vor Strahlungen durch bestimmte Materialien abschirmen.