Osterholzer Anzeiger vom 27.04.2008
Wissenschaft weiter uneinig
Podiumsdiskussion der BEO fand große Resonanz
Von Sabine Kahrs
Osterholz-Scharmbeck. Große Resonanz verzeichnete die Bürgerinitiative Elektrosmog Osterholz (BEO) bei ihrer Podiumsdiskussion im Ratssaal des Rathauses. Dabei ging es um die Gefahren von Handys, W-Lan und schnurlose DECT-Telefone. In Zeiten zunehmender diffuser Leiden, wie Ärzte sie in ihre täglichen Praxis bei Patienten erfahren, in Zeiten von immer mehr Funkturmbauten, die Ängste entfachen, war der Zulauf zur Veranstaltung nachvollziehbar.
Kommunen und ihre Bürger stehen immer neuen Funkturmbauten an umstrittenen Standorten scheinbar machtlos gegenüber. Die Einrichtung von Laptop-Klassen mit schnurloser W-Lan-Technik wird kontrovers diskutiert. Ist die neue Technik, die so viel Spaß bereiten kann, Fluch oder Segen, fragte ARD-Moderator Manfred Baumann, der die Diskussion kritisch leitete.
Zugpferd der Veranstaltung war Dr. Lebrecht von Klitzing, ein unabhängiger Wissenschaftler. Auf Unabhängigkeit legten die Besucher der Veranstaltung besonderen Wert und hofften dadurch auf ehrliche Antworten. Ernst zu nehmende Zweifel gab es hingegen zu Podiumskontrahent Dr. Alexander Lerchl, Professor für Biologie an der International University Bremen (IUB) Er, als Beratungsausschussmitglied der Strahlenschutzkommission, und seine Universität gelten als Spendenempfänger der Mobilfunkindustrie.
In seinem Statement, das von Studien und Statistiken bestimmt wurde, führte Lerchl aus, dass Grenzwerte annähernd nicht erreicht würden. UMTS beispielsweise habe auf Mäuse über vier Generationen hinweg keine Hinweise auf Schädigungen gezeigt. Auf seine mögliche Spendenbefangenheit gab der Professor an, dass bis zum Schluss „blind" geforscht wurde. Niemand habe gewusst, welche Mäuse exponiert waren und welche nicht. Der Wissenschaftler bestätigte, dass er der Meinung sei, man könne die Forschungen zu Mobilfunk und Co. beenden. Es gebe inzwischen Forschungsnotwendigkeiten für neue Technologien, so müsse es
nicht sein, dass man für Mobilfunkforschungen weiterhin Millionen auf den Kopf haut." Eine Einflussnahme über den Geldstrom auf seine öffentliche Meinung bestritt er, konnte den Verdacht beim Publikum aber augenscheinlich nicht ausräumen. Eine Diskussionsbesucherin gönnte Lerchl und anderen Wissenschaftlern einmal neben einem Mast schlafen zu müssen. Lerchl hatte zuvor seine Meinung geäußert, dass „elektrosensible" Menschen wirklich krank seien. Er bezweifelte aber, dass dies von der Strahlung komme. Eher sei es die Angst vor Strahlen, die zu Beschwerden führe. W-Lan in Schulen hielt der Biologe für unbedenklich. „Gefährlicher ist es, im Klassenraum Kabel zu verlegen, über die Schüler stolpern könnten."
Dr. Lebrecht von Klitzing hatte einen weitaus besseren Stand auf dem Podium. Er führte aus, was eine Oma dem Enkel antue, schenke sie ihm ein Handy zu Weihnachten. Von Klitzing riet dringend ab. Auch er führte wissenschaftliche Untersuchungen ins Feld. W-Lan hielt der Experte für besorgniserregend. Es gebe sichere Kabellösungen. Er riet von der kabellosen Technik in Schulen dringend ab und erhielt Beifall.
Elektrosensibilität sei ein multikausales Problem, meinte Dr. von Klitzing, dem eine Vorgeschichte, etwa eine Allergie, zu Grunde liege. Die Strahlendosis komme noch oben drauf.
Auf die Machtlosigkeit, Mobilfunkmasten an bestimmten Standorten zu verhindern, wies unter anderem Ritterhudes Bürgermeisterin Susanne Geils hin. Gehört die Mobilfunkversorgung zur Grundversorgung auf die Bürger ein Anrecht haben, sind die Masten wirklich privilegierte Bauvorhaben? Geils führte aus, was alles unternommen wurde, um Einfluss zu nehmen und die Belastung für die Bevölkerung zu minimieren. Letztendlich finde sich für Geld immer ein Grundstück von Privat- oder Geschäftsleuten, auf dem sich Betreiberwünsche erfüllten.
Dr. Lebrecht von Klitzing erläuterte, dass es sich bei Mobilfunktechnik nicht um privilegierte Vorhaben handele und dass es kein Grundversorgungsrecht gebe. Letztendlich könne jeder nur seine eigene Wohnung vor Strahlungen durch bestimmte Materialien abschirmen.
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