Osterholzer Kreisblatt 16.06.2007

" Mehr Funkmasten in die Ortsmitte"
Professor Lerchl appelliert an alle Kommunen: Keine Steuergelder für weitere Mobilfunk-Studien ausgeben

Von unserem Redakteur
Robert Goldberg

RITTERHUDE·GROHN. Mit einem dringenden Appell an die Kommunen, auch in Richtung Gemeinde Ritterhude, keine zusätzlichen Steuergelder für Mobilfunk-Studien auszugeben, hat sich jetzt Professor Dr. Alexander Lerchl von der Jacobs University Grohn in die Debatte um die gemutmaßten Gefahren von Mobilfunk-Masten eingeschaltet. Professor Lerchl empfiehlt sogar, die Mobilfunk-Masten auf Schuldächern und Kindergärten aufzustellen, weil "darunter die Strahlung am geringsten ist.”

Laut dem Biologie-Professor, der auch Mitglied der Strahlenschutz-Kommission des Deutschen Bundestages ist, gebe es keine Studie, die nachweise, dass von Mobilfunk-Masten Gesundheitsgefahren ausgingen. "Es werden immer neue Studien gefordert, und es wird nur Geld herausgeschleudert" meinte Lerchl mit Blick auf das vom Ritterhuder Bauausschuss geforderte neue Ecolog-Gutachten für die UMTS-Anbauten am Mobilfunk-Mast am Bunkenburgsweg.

Der Professor der privaten Grohner Universität forscht seit 18 Jahren auf dem Gebiet und kennt nach eigenen Angaben "keine Studie, die nachweist, dass von Mobilfunk-Stationen eine schädliche Strahlung ausgeht." Aufgrund seiner Forschung weiß er: "Die Messwerte von Mobilfunk-Stationen ergeben nur fünf Prozent der Strahlungsmesswerte von Handys."

Professor Lerchl spricht sich sogar für viele Mobilfunk-Stationen direkt im Ort, nahe der Nutzer aus: Handys würden um so weniger strahlen, je näher der nächste Funkturm sei. Lerchl: "Wenn der Mobilfunk-Mast weiter entfernt ist, müssen die Handys mit höchster Leistung ausstrahlen. Dann ist die Strahlenbelastung höher." Seine Empfehlung: Eine gute Abdeckung mit mehreren Mobilfunk-Masten in einem Ort bedeute für die Bürger eine niedrigere Strahlenbelastung.

In dem Gespräch mit unserer Zeitung empfiehlt der Grohner Strahlenschutzexperte sogar, die Masten auf öffentlichen Gebäuden mitten im Ort aufzustellen: Schulen, Kindergärten, andere öffentliche Gebäude mit Publikumsverkehr: "Die Masten strahlen wie ein Leuchtturm aus. Direkt unter dem Mast ist die Strahlung am geringsten, in 100 Meter Entfernung kann sie viel höher sein." Wissenschaftlich zweifelhaft und fragwürdig sei auch das lange Zurückhalten der Machbarkeitsstudie zum Funkmast am Bunkenburgsweg (wir berichteten) gewesen: "Das ist ein Unding. Und dahinter steckt die Geisteshaltung, dass nur Studien, die negative Erkenntnisse haben, wichtig sind. Studien aber, die Entwarnung geben, werden lange zurückgehalten." Auch gebe es Tendenz, Studien, die keine Ergebnisse hätten, so darzustellen, dass es Ergebnisse gäbe, meinte Professor Lerchl mit Blick auf die Ritterhuder Studie: "Es gibt zwar Pilotstudien, aber die eigentliche Studie folgt dann nicht."

Kommentar

Die von Professor Lerchl getätigten Darstellungen zum Thema Mobilfunk sind leider in weiten Teilen falsch. Sie entsprechen in Bezug auf die Ausbreitung der Strahlung in keiner Weise einem Leuchtturm. Direkt unter den Anlagen, bis zu einem Umkreis von ca. 30 bis 50 Metern, ist tatsächlich eine sehr hohe Feldstärke zu messen.

Erst danach erfolgt ein kleiner Bereich, in dem die Feldstärke deutlich niedriger ist. Erreicht der Hauptstrahl den Boden, so steigt die Strahlenintensität wieder deutlich an und nimmt dann mit zunehmender Entfernung ab.

Mobilfunksendeanlage haben daher absolut nichts auf Wohngebäuden, oder Gebäuden mit sensiblen Bereichen, wie Krankenhäuser, Schulen oder Kindergärten, zu suchen. 

Die Aussage, man sollte kein Geld mehr in Studien investieren ist absoluter Blödsinn, da ja selbst die Mobilfunkindustrie der Meinung ist, es müsste weitere Forschung geben. Wir teilen die Meinung von Professor Lerchl in einem Punkt. Es gibt zur Zeit keine Studie, die einen absoluten Nachweis der Schädlichkeit beweist. Zumindest nicht nach den juristischen Grundsätzen. Studien, die einen deutlichen Hinweis in Richtung der Schädlichkeit liefern, gibt es aber mehr als genug. Insbesondere sei hier auf die von der EU finanzierte Reflex-Studie, unter Leitung von Professor Franz Adlkofer, hingewiesen (http://www.verum-foundation.de / unter Studien/Reflex).

Würde man die div. Studien als eine Waage darstellen, so sähe man das Pendel deutlich in die Richtung einer Schädlichkeit der sogenannten niederfrequent gepulsten Hochfrequenzstrahlung, wie beim Mobilfunk, ausschlagen. Es ist mehr als überfällig beim Umgang mit dieser Technik Vorsicht walten zu lassen und alles Menschenmögliche zu unternehmen, um eine Gefahrenminimierung zu betreiben.

Da die Versicherungswirtschaft bereits seit dem Jahr 2004 keine Schäden mehr versichert, welche durch den Mobilfunk verursacht werden, kann es für denjenigen mal teuer werden, der eine Anlage auf seinem Grund und Boden errichtet. Er ist nämlich nach dem BGB für diese Schäden haftbar. Das trifft auch auf Kommunen zu, welche öffentliche Gebäude zur Verfügung stellen.

Letztendlich gibt es nur eine Aussage von Professor Lerchl, die wir als halbwegs vernünftig gelten lassen können. Eine Vielzahl von absoluten Kleinstsendeanlage hätte zur Folge, dass die Feldausbreitung wesentlich gleichmäßiger erfolgen würde und die Gesamtbelastung damit niedriger wäre. Mit einem solchen Geflecht von Anlagen würde sich auch die von uns als Ziel definierte ausschließliche Outdoorversorgung realisieren lassen. Das heißt, auf der Straße hat man ein Netz. Begibt man sich in ein Gebäude, so ist die Feldbelastung so gering, dass ein Telefonieren nicht mehr möglich ist. Sollte jemand unbedingt in seinen vier Wänden mobil telefonieren müssen, so gibt es die Möglichkeit sich einen Repeater zu installieren. Den könnte man sogar mit einem Schalter zum Ein- und Ausschalten verbinden und so zumindest nachts gut schlafen.

Nach unserer Auffassung ist es an der Zeit zu handeln und nicht zu verharmlosen, wie es Herr Professor Lerchl mit seiner Stellungnahme zum Thema getan hat. Auch wünschte man sich von einem Mitglied der Strahlenschutzkommission etwas mehr Sachverstand.

 

Andreas Meyer

 

Osterholzer Kreisblatt 20.06.2007

“Juristisch nicht nachweisbar”
Interessengemeinschaft Mobilfunk widerspricht Professor Lerchl

von unserem Redakteur
Robert Goldberg

Ritterhude-Landkreis Der Streit um die Schädlichkeit von Mobilfunk geht weiter. Mobilfunk-Sendeanlagen hätten nichts auf Wohngebäuden oder Gebäuden mit sensiblen Bereichen, wie Krankenhäuser, Schulen oder Kindergärten, zu suchen, weil die Strahlenintensität in Bodennähe wieder zunehme. Mit dieser Aussage widerspricht die Interessengemeinschaft Mobilfunk Norddeutschland aus Hambergen den Aussagen des Grohner Professors Dr. Alexander Lerchl, der in einem Gespräch die Gefährlichkeit von Mobilfunkstrahlen relativerte.

Doch der Professor der Jacobs-University erhielt auch Zustimmung. Eine Vielzahl von absoluten Kleinstsendeanlagen hätte zur Folge, dass die Feldausbreitung wesentlich gleichmäßiger ausfallen würde und die Gesamtbelastung damit geringer wäre. Allerdings wäre dann die Feldbelastung in den Gebäuden dann so gering, dass ein Telefonieren mit einem Handy in einem Haus nicht mehr möglich wäre, nur mit einem sogenannten Repeater.

Auch in derHinsicht, dass es keine Studie gebe, die die Schädlichkeit von Mobilfunkstrahlen nachweist, geht die Interessengemeinschaft mit dem Grohner Professor konform. Allerdings: “Zumindest nicht nach juristischen Grundsätzen. Studien, die einen deutlichen Hinweis in Richtung der Schädlichkeit liefern, gibt es mehr als genug.” In diesem Zusammenhang weist die Initiative auf die von der EU finanzierte Reflex-Studie hin (www.verum-foundation.de).

Leserbrief Osterholzer Kreisblatt 26.06.2007

Zum Artikel "Mehr Funkmasten in die Ortsmitte" vom 16. Juni:
 

Nur auf den ersten Blick sinnvoll

Wenn Herr Prof. Lerchl empfiehlt, mehr Mobilfunkmasten aufzustellen, so mag das auf den ersten Blick für den Laien, wie ich es einer bin, durchaus sinnvoll erscheinen. Wenn der Leser aber in der gleichen Ausgabe des Weser-Kurier vom 16. Juni weiterblättert, merkt er sehr schnell, woher der Wind weht. Da wird auf der Bremer Lokalseite von einer millionenschweren Spende des Metallarbeitgeberverbandes der Norddeutschen Metall- und Elektroindustrie an die Jacobs University in Bremen Nord berichtet. Und genau diese Universität ist der Arbeitgeber von Herrn Lerchl. Was liegt da also näher, als dem lieben Spender einen Gefallen zu tun und das ganze Problem der Strahlenbelastung herunterzuspielen, damit möglichst viele neue Türme gebaut werden können, um auch noch im letzten Winkel mobil zu telefonieren. Denn davon profitieren doch letztendlich hauptsächlich die ehrenwerten Spenderfirmen.



WOLFGANG TUTTLIES, VOLLERSODE