16. Oktober 2005

Heide-Kurier vom 16.10.2005:    > Link zum Original-Artikel <

AG Mobilfunk steckt in Krise

Einigkeit in der Sache / BI in Gutachterfrage auf Gegenkurs

SOLTAU (mwi). Die große Liebe war es nie - zwischen Vertretern von Soltauer Rat und Verwaltung einerseits und Mitgliedern der Bürgerinitiative (BI) Mobilfunk andererseits. Doch jetzt steckt die Arbeitsgruppe (AG) Mobilfunk, in der sie alle vertreten sind, offensichtlich in einer wirklich handfesten Krise. Dabei geht es weniger um einen Konsens in der Sache - denn den gibt es bereits -, als um „Personalfragen“: Die Stadt möchte zur Erstellung eines Mobilfunk-Versorgungskonzeptes Vorgespräche unter anderem mit einem Experten führen, den die BI strikt ablehnt. Die Stadt wiederum sieht in dieser Haltung der BI noch keinen Grund, von vornherein auf ein solches Vorgespräch zu verzichten. Astrid Wichmann von der BI hält dies für Taktik und fährt schweres Geschütz auf: „Innerhalb der AG ist die Bürgerinitiative handlungsunfähig gesetzt. Die AG entpuppt sich als Beruhigungspille für die Bürger und als Beschäftigungsherapie für die BI“, so Wichmann im Pressegespräch am vergangenen Donnerstag.

Nach einer Gesprächsrunde mit Experten hatte die Arbeitsgruppe im Sommer einen Konsens in der Sache gefunden: Die Minimierung und Vermeidung unnötiger Belastungen der Menschen durch Mobilfunk und UMTS sollen das Ziel künftigen Handelns sein (HK berichtete). Da weder die Schädlichkeit noch die Unschädlichkeit von Mobilfunk bewiesen sei, es aber ernstzunehmende Hinweise gebe, daß Mobilfunk für bestimmte Personen bei Zusammentreffen verschiedener Belastungen schädlich sein könne, so damals Vertreter der Stadt, solle eine Minimierung der Mobilfunk-Sendeanlagen angestrebt werden. Um aber in dieser Frage bei den Mobilfunkbetreibern irgendetwas durchsetzen zu können, sei ein Mobilfunk-Versorgungskonzept erforderlich.

Um die hierfür nötigen und machbaren Maßnahmen auszuloten, sind Fachleute nötig. Und genau an diesem Punkt scheiden sich die Geister von BI und übrigen AG-Mitgliedern: So will die Verwaltung Vertreter von zwei Instituten zu Vorgesprächen über dieses Thema einladen, mit denen die BI einverstanden ist. Einen dritten Experten lehnt die Bürgerinitiative indes kategorisch ab - auch schon das Vorgespräch mit ihm.

Seine Kompetenz in Fragen der Meßtechnik, so Astrid Wichmann, stelle die BI zwar nicht in Frage, aber er sei nicht in der Lage, komplette Planungen zu erstellen. Und er stehe eindeutig auf der Seite der Mobilfunkbetreiber, wie bisherige Gutachten zeigten. Zudem vertrete er die Auffassung, daß Mobilfunk-Sendeanlagen möglichst nahe am Nutzer installiert und daher gleichmäßig über die Fläche verteilt werden müßten, um den Funk optimal nutzen zu können. Darüber hinaus halte er die derzeitigen Grenzwerte für in Ordnung und verneine eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch Mobilfunk. Weiter stehe dieser Experte im Verdacht, bei einer anderen Studie Daten manipuliert zu habe. Diesen letzten Vorwurf könne die BI nur zitieren, nicht aber belegen. Sie habe jedoch mit Personen gesprochen, die durchaus in der Lage seien diese Belege zu erbringen.

„Die Erfahrungen anderer Kommunen, die mit diesem Fachmann zusammengearbeitet haben, zeigen, daß seine Vorschläge befolgt wurden, auch wenn am Ende etwas anderes herauskam, als eigentlich von den Kommunen beabsichtigt gewesen war. Wir haben uns darüber informiert und mit Beteiligten aus den dortigen Bürgerinitiativen, aber auch mit Politikern gesprochen“, so Wichmann. Dies sei der Grund, warum die BI schon allein das Vorgespräch ablehne: Sollte die Stadt diesem Experten nach einem solchen Gespräch den Auftrag erteilen, so befürchtet die BI, könnten die Entscheidungsträger als Nichtfachleute gar nicht mehr beurteilen, was in Sachen Minimierung der Mobilfunk-Sendeanlagen wirklich machbar wäre.

Und daß die Wahl tatsächlich auf diesen Fachmann - und nicht auf die beiden anderen Institute - fallen könnte, hält Astrid Wichmann für nicht unwahrscheinlich: Er sei preisgünstig zu haben - und der Stadtsäckel leer. Wie tief das Mißtrauen innerhalb der AG sitzt, zeigt zudem eine weitere Einschätzung: Die BI-Vertreterin möchte nicht ausschließen, daß ein Ergebnis, wie es ihrer Meinung nach von diesem Experten zu erwarten wäre, auch durchaus gewollt sein könnte. Dann nämlich brauche der Soltauer Rat seinen bisherigen Beschluß, die Mobilfunkanlagen möglichst flächendeckend über die Stadt zu verteilen, nicht zu ändern - womit die AG und ihre Arbeit nur eine Farce wären.

Dies, so Soltaus Baudezernent Johannes Strehle, seien „Pauschalvorwürfe“, die er entschieden zurückweise. Der derzeitige „Knackpunkt“ sei der Streit um eben jenen Experten. Dieser sei qualifiziert, und entscheidend sei, ob er bereit sei, „auf unserer Basis zu arbeiten - und nicht, ob er schon für Mobilfunkbetreiber gearbeitet hat.“ Darüber hinaus solle die BI, wenn sie gegen diesen Experten weiter den Vorwurf der Datenmanipulation erhebe, auch eindeutige Belege dafür auf den Tisch legen, was bisher nicht geschehen sei.

Wie der Baudezernent weiter betont, sei die Arbeitsgruppe Mobilfunk im Sommer zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen: „Die Vorgaben sind erarbeitet. Dazu stehen wir, und das ist auch die Grundlage für das Gespräch mit diesem Experten. Der erreichte Konsens in der Sache ist nicht einen Millimeter in Frage gestellt. Wir lassen uns aber nicht vorschreiben, mit wem wir zu sprechen haben. Gerade das Vorgespräch böte doch auch der BI die Möglichkeit, gegen die Aussagen dieses Fachmanns unter Umständen gegenzuhalten. Und was mögliche Kosten für ein Mobilfunk-Versorgungskonzept betrifft, so waren derartige Entscheidungen der Stadt nie allein von den Finanzen abhängig. Ein gewisses Maß an Qualität war für Planungen immer Konsens.“

Strehle weiter: „Dieses Mißtrauen der Bürgerinitiative entzieht der Arbeitsgemeinschaft eigentlich die Basis.“ Und so lägen derzeit auch die Termine für die genannten Vorgespräche auf Eis, bis sich in Sachen des besagten Experten auf Seiten der BI etwas bewege, vor allem was den Vorwurf der Datenmanipulation betreffe: „Die Stadt ist aber entschlossen, auf den bisherigen Grundlagen weiterzuarbeiten, auch wenn eine Kooperation mit der Bürgerinitiative nicht mehr möglich sein sollte.“

Die BI wiederum will jetzt auf anderer Ebene in die Offensive gehen, wie Astrid Wichmann ankündigt: Noch in der ersten Novemberhälfte soll es eine öffentliche Veranstaltung zum Thema Mobilfunk-Versorgungskonzept geben: „Wir werden hierzu Referenten einladen, die dann darlegen, wie deratige Planungen funktionieren oder auch - bei falscher Beratung - scheitern können.“ Öffentlichkeit und Transparenz sei ihr ureigenes Gebiet, auf das sich die BI damit wieder begeben wolle, denn „den Weg der Arbeitsgruppe können wir so nicht mitgehen.“

Das heißt auch: Die Veranstaltung soll nicht nur Interessierte informieren, sondern auch helfen, die BI-Position innerhalb der Arbeitsgruppe durchzusetzen, denn, so Astrid Wichmann: „Die Erfahrung hat gezeigt: Öffentlicher Druck erzeugt Handlungsdruck.“ Bleibt am Ende die Frage, ob sich die Stadt davon beeindrucken läßt.